Virginie Despentes

King Kong Theorie

 

Neues Theater und Puppentheater Halle 2011

mit Katharina Kummer, Annemie Twardawa, Martin Reik

Regie: Claudia Bauer  |Bühne,Kostüme,Puppen: Hendrik Scheel  Musik:Sebastian Herzfeld|  Mitarbeit Kostüme,Puppen: Katharina Wenke | Dramaturgie: Ralf Meyer | Regieassistenz: Jana Schikofsky  | Inspizienz: Ute Jensen | Souffleuse/Stimme: Sylke Apel

 

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Nachtkritik:

King Kong Theorie - Claudia Bauer lässt in Halle Virginie Despentes' gonzo-feministische Puppen tanzen
Wenn Affen zu sehr lieben
von Ute Grundmann
Halle/Saale, 12. November 2011. King Kong und die weiße Frau tanzen engumschlungen, die Köpfe zusammen in das zottelige Fell gesteckt. Doch als der schwarze Affe vorsichtig, probeweise das Untier hervorkehrt, pfeift die weiße Frau ihn zurück und,als das nichts hilft, bricht sie ihm knirschend das Genick. Die "Ordnung" zwischen Tier und Mensch scheint wiederhergestellt,doch sie ist eine verkehrte: Denn der Affe ist eine Frau und die Frau ein Mann. Aber was ist eigentlich "männlich", was "weiblich", was "dürfen" Männer, was Frauen nicht dürfen und warum eigentlich nicht?
Was sich anhört wie Fragen zu einer grundsätzlichen, philosophischen, feministischen Debatte, wird im Neuen Theater Halle zu einem fröhlichen, chaotisch-anarchischen Theaterabend rund um Rollenklischees, Erwartungen und deren Brechung.
Kleines Vademecum für Frauen
Regisseurin Claudia Bauer und ihr Ensemble haben sich "King Kong Theorie" von Virginie Despentes vorgenommen, die ihr Buch (von 2008) selbst ein feministisches nennt. Dabei sind die Theorien der französischen Autorin zu weiblicher und männlicher Sexualität durchaus strittig und angreifbar. Dass Frauen die Demütigung und Verletzung einer Vergewaltigung am besten verschweigen sollten, kann nachvollziehen, wer mal einen Vergewaltigungsprozess erlebt hat; trotzdem ist es nichts "Normales". Dass Frauen "verführerisch, aber nicht nuttig, gut verheiratet, aber nicht an die Wand gedrängt, berufstätig, aber nicht übertrieben erfolgreich" sein sollen, ist nicht neu. Und die Prostitution als Ausweg aus der Unterdrückung zu preisen, weil man dort für die Erniedrigung Schein für Schein entschädigt werde, ist ziemlich krumm.Doch um diese Theorien kümmern sich Claudia Bauer und ihr Ensemble, zumindest im Bühnenspiel, nicht groß. Stattdessen nehmen sie in dieser Koproduktion von Neuem Theater und Puppentheater auf die Schippe, was draufgeht und noch ein bisschen mehr.
Glück beim haarigen Primaten gefunden
Hendrik Scheel hat auf die kleine, runde Bühne der "kammer" eine Mischung aus Frisiersalon und

Künstlergarderobe gebaut.
Perücken liegen bereit, Plüsch- und andere Spielzeuge, ein Glastisch, ein dürrer, silbriger Baum, links hockt ein Plüschgorilla mit Männermaske in einem Pissoir. Diese Szenerie betreten die Puppenspielerinnen Katharina Kummer und Annemie

Twardara in grünem und rosa Kleidchen und Highheels, der Schauspieler Martin Reik im Anzug ohne Hemd. Soweit, so normal, nur dass Reik die beiden Frauen mit einer Riesen-King-Kong-Hand umfasst. Doch dann klingelt rasselnd das Telefon und alle drei
erklären einem offenbar nervenden "Jack", dass sie auf dieser Insel "diesen dicken behaarten Primaten kennengelernt" und so ihre Bestimmung und ihr Glück gefunden hätten.
Martin Reik, Annemie Twardawa, Katharina Kummer mühen sich gerade nach Kräften, um als Opfer glaubwürdig genug rüberzukommen.
Damit beginnt ein Spiel der verkehrten Rollen, in das vor allem Martin Reik sich mit Lust und Verve schmeißt – und dabei meilenweit von allen Männer-in-Frauen-Klamotten-Klischees entfernt bleibt. Er zwängt sich, wie seine Mitspielerinnen, in
Strumpfgürtel, räkelt sich auf dem Tisch, während er (als Frau) von Vergewaltigung und Gewalt spricht und Katharina Kummer und Annemie Twardara mit nackten Puppen das an und auf ihm nachspielen. Die Frauen lassen King Kong- und Bugs Bunny-Puppen schwadronieren und sich prügeln, bis Bugs Bunny kopflos ist; Martin Reik besingt hoch und vergnügt "Mannweiber,Häßliche, Durchgeknallte" und sagt: "Als Frau bin ich eher King Kong als Kate Moss".
Plüschaffe als Psychiater
Manchmal scheint es auch, als nähmen Regie und Darsteller auch die Texte von Virginie Despentes, etwa von "der Vergewaltigung als Herzstück unserer Zivilisation", nicht so ganz ernst, nicht nur, wenn die drei mit Despentes-Masken sich betrinken. Der Plüschaffe auf der linken Bühnenseite entpuppt sich als Psychiater, der über Weiblichkeit faselt.
Und schließlich gibt Martin Reik, der wie eine

Naturgewalt durch die 80 Minuten tobt, auch noch die weiße Frau – im Brautkleid,rückenfrei -, der aber diese(r) King Kong (Katharina Kummer schlüpft ins dunkle Zottelfell) dann doch zu sehr das Biest
rausläßt, so dass er/sie erlegt werden muss. Und dann klingelt nochmal das Telefon – aber von Jack oder wer immer dran ist,will hier keiner mehr was hören.